Beispiele aus der Arbeit: "Radfahren als Befreiung"
• Synopsis:
Die Stärke des Fahrrades liegt natürlich in seiner gesellschaftlichen Notwendigkeit und technischen Genialität. Aber sein eigentlicher Wert liegt in der Befreiung des Einzelnen - das Fahrrad als Schlüssel zur Emanzipation in der technisierten Gesellschaft. Die nebenstehenden Protagonisten leben diesen Willen zur Unabhängigkeit vor. Sehr unterschiedlich, aber jeder zeigt in seinem Leben unsere Möglichkeiten. Engagiert, aber nie belehrend.
Wir wenden uns denen zu, die die Idee des Radfahrens mit mehr als Leistung verbinden. Für sie ist Radfahren ein Lebensentwurf und nachhaltiger Gewinn.
Die Protagonisten:
Erich Winkler aus Niederbayern fehlt seit seinem Verkehrsunfall der rechte Arm und das linke Bein. Er lernte Gehen und Radfahren neu und wurde gleich einer der besten schwerstbehinderten Radfahrer in der Bundesrepublik. Er trainiert ohne Einschränkung mit nichtbehinderten Radrennfahrern, nur am Berg darf er nicht zu langsam werden, sonst fällt er um. Wir begleiten ihn auf einem Training in den Alpen.
Der ehemalige Rad-Weltmeister und Bundestagsabgeordnete Täve Schur ist der Held des Tages und ungebrochen populär. Er ist der herausragende Protagonist des Kollektivs und kennt die Probleme und den Druck auf die Athleten sehr genau. Auf einer Trainingsfahrt erläutert er die Spannung zwischen dem Anspruch der Gemeinschaft und den Fähigkeiten des Einzelnen.
Anschließend wird in einem sehr kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt das “Friedensfahrt-Museum” eingeweiht. Horst Schäfer hat in einem ungeheuren Kraftakt dieses Museum auf die Beine gestellt.
Der Soziologieprofessor Roland Girtler fährt für seine Forschungsarbeiten und zu seinen Vorträgen grundsätzlich mit dem Fahrrad. Für uns besucht er sein Heimatdorf in Oberösterreich, um uns zwei alte Damen vorzustellen, die sich seit ihrer Kindheit auch fast ausschließlich mit dem Fahrrad fort- bewegen:
Mizi Schwaiger ist 85 Jahre alt, fährt täglich auf den Friedhof und hat ihren Krebs vor 10 Jahren durch eisernes Radfahren - auch im Winter - überwunden.
Auch Maria Angerer ist weit über 70 Jahre alt. Sie fährt alle Wege mit ihrem alten Fahrrad. Oft schiebt sie nur noch. Bei Schneeregen begleiten wir sie zum Einkaufen.
Horst Tomayer arbeitete als Autor in Hamburg, schrieb regelmäßige Kolumnen über sein Dasein als Immer-Radfahrer und konnte sich nicht dagegen wehren, dass ihm während langer Touren populäre Melodien im Kopf herumschwirren.
Maria Planer ist eine der wenigen weiblichen Fahrrad-Kuriere in Frankfurt. Sie muss sich im knallharten Straßenverkehr durchsetzen - ahnt aber, dass ohne diesen Autoverkehr die Wirtschaftsmetropole Frankfurt nicht existieren würde und sie keine Arbeit hätte.
Nicht nur muslimische Frauen lernen in Nürnberg auf einem Schulhof von Anette Weigand den sicheren Umgang mit einem Fahrrad. Sie haben weder in der Kindheit noch später Radfahren gelernt, heute möchten sie zumindest die kurzen Wege in der Stadt sicher erfahren können. Ihre Männer sind nicht immer erfreut von diesem Kurs.
Pfarrer Friedrich Schorlemmer legt alle Wege, soweit möglich, mit seinem alten schwarzen Fahrrad zurück. Er lädt uns zu seiner “Raderfahrungstagung” an die Elbe ein. Er fordert nicht nur eine “Verkehrswende”, sondern möchte - mit Hilfe des Fahrrades - die bundesdeutsche Gesellschaft reformieren.
Jürgen Koschmann benutzt seit Jahrzehnten grundsätzlich kein Auto mehr und zeigt uns die autogerechte Stadt mit ihren schlimmen Radfahrerfallen. Er ist erregt. Er demonstriert, dass auch eine Stadt wie München nur oberflächlich fahrradfreundlich ist und tödliche Unfälle vorprogrammiert sind.
Vier Mädchen fahren, sich an den Händen anfassend, wunderbar leicht auf Einrädern Kreise und schlangenförmige Figuren in einer Frühlingswiese.
• Ziel
Das Fahrrad im Alltag wird heute missverstanden. Je höher der vermeintliche Status, umso größer die Hemmung, alltäglich zu radeln.
Nur die Schwachen (Kinder, Rentner, Studierende, Ökos und andere Verlierer) dürfen bei uns das Fahrrad sinnvoll benutzen. Als einfache Möglichkeit, sich auf städtischen Distanzen schnell zu bewegen. Je höher der gesellschaftliche Rang des Einzelnen ist, um so unmöglicher wird die Fortbewegung mit angemessenen Mitteln.
Heute gibt es wenig peinlicheres als Schweißflecke unter den Achseln. Schwitzen ist nur in Sport und Freizeit anerkannt und muss sauber vom Alltag getrennt werden. Radfahren hat eine überhöhte Bedeutung im Sport und ein unausgesprochenes, aber sehr hartnäckiges Verlierer-Image im Alltag. Gesellschaftlich erfolgreich sein und zweckmäßiges Radfahren schließen sich - zumindest in Deutschland - in der Regel aus.
Jeder Versuch, radfahren als ökologisch, ökonomisch und medizinisch sinnvoll darzustellen, ist lobenswert, wird aber ohne Folgen bleiben. Erst müssen wir die beiden wichtigsten Ursachen des missverstandenen Fahrrades verstehen: Unser absurdes Verhältnis zum Körper, das die Bodenhaftung verloren hat und die scheinbar unwiderstehliche Attraktivität der maschinellen Fortbewegung.
Wer es schafft, sich aus diesen Klammern zu lösen, gewinnt große Freiheiten.
Ein kurzer Zusammenschnitt hier.